Artikel: Flüchtlinge in der Schule - Schule für Flüchtlinge
Flüchtlinge in der Schule – Schule für Flüchtlinge
Von Heike Ruhl
Beim Thema Flüchtlinge entsteht in den Köpfen vieler Angehöriger der deutschen Mehrheitsgesellschaft meist das Bild von Menschen mit wenig Bildung und vielen Problemen und Bedürfnissen. Viele Flüchtlinge gehörten in ihren Herkunftsländern jedoch zu den bildungsnahen Schichten und verfügen über Bildungsabschlüsse oder hohe zertifizierte Berufsausbildungen. Häufig werden diese persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten nicht erkannt oder nicht genutzt. Die persönliche und familiäre Wanderungsgeschichte hat bei vielen Personen soziale und interkulturelle Kompetenzen zur Entfaltung gebracht. Etwa ein Drittel der nach Deutschland Geflüchteten sind unter 14 Jahre alt. Auch Flüchtlingskinder unterliegen der Schulpflicht, allerdings erst, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung hinter sich gelassen haben.
Ob Flüchtlingskinder einen Anspruch auf einen Kita-Platz haben, ist in den einzelnen Bundesländern leider unterschiedlich geregelt. Landesabhängig ist auch, welche Fördermöglichkeiten den Schulen zur Verfügung gestellt werden, um die nicht-deutsch sprechenden Kinder auf den Unterricht vorzubereiten.
Eine Chance auf Bildung hängt von der Schule ab
Die Regionalen Arbeitsstellen (RAA) sind Träger, die sich den Herausforderungen Bildung, Integration und Demokratie widmen. Sie sind gute Partner für Schulen bei der Integration von Flüchtlingen in den schulischen Alltag und bieten Kooperation und Hilfestellung an.
Ob Flüchtlingskinder hier eine faire Chance auf Bildung haben, hängt entscheidend vom Engagement der Schule und der Lehrenden ab. Dazu Christian Utpatel, Geschäftsführer der RAA Mecklenburg-Vorpommern:
»Im Idealfall haben Bildungseinrichtungen bereits eigene Leitlinien für die Aufnahme von Seiteneinsteigern für sich entwickelt, die regelmäßig zur Anwendung kommen. Hierbei sollte neben der sprachlichen Förderung auch die Ansprache und Einbindung von Eltern und zum Beispiel Patenschaften zwischen Schülerinnen und Schülern bedacht und geplant werden. Klassenleiterinnen und Klassenleiter fällt bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern eine besondere Verantwortung zu, da die Umgangskultur im Klassenverband ein entscheidender Faktor für eine gelingende Integration der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ist. Auch Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter können diesen Prozess unterstützen und begleiten. Jede Schule sollte es trotz eines 'vollen Stundenplans' ermöglichen, Neuankömmlingen Interesse, Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Das kann durchaus auch Bestandteil von Lernprozessen im Unterricht sein.«
Was im schulischen Kontext getan werden kann
Eine weitere RAA ist die RAA Hoyerswerda/Ostsachsen. Hoyerswerda nimmt rund 120 Flüchtlinge auf. Deshalb wird nun eine ehemalige Förderschule zu einer Gemeinschaftsunterkunft umgebaut. Bei den Einwohner/innen der sächsischen Kleinstadt ruft die Stadtratsentscheidung im Oktober 2013 Bedenken hervor. Auf einer Bürgerversammlung äußern die zahlreichen Teilnehmenden, dass sie sich um die Sicherheit sorgen. Außerdem will man nicht, dass die Stadt zu viel Geld für den Umbau der Schule ausgibt. Diese Ressentiments stützen sich auf Fehlinformationen und Unwissenheit, weshalb die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu dieser Thematik eine grundlegende Aufgabe für eine gelungene Willkommenskultur ist. Jens Leschner von der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen e.V. erarbeitet deshalb ein Konzept, wie Schulen sich und ihr Umfeld auf die Ankunft von Geflüchteten vorbereiten können.
Heike Ruhl: Können Sie beschreiben, wie Schulen dazu beitragen können Willkommensstrukturen zu entwickeln?
Jens Leschner: Die RAA Hoyerswerda/Ostsachsen e.V. wird sich zunächst dem Aufgabenfeld der Sensibilisierung für Asylsuchende innerhalb der Schulen widmen. Dieses aktuell in der Entstehung befindliche Konzept soll zwei Schwerpunkte beinhalten. Erstens wollen wir für die Situation von Asylsuchenden sensibilisieren und Vorurteile in unserer Stadt abbauen. Zweitens wollen wir in jeweils angepasster Vermittlungsform rechtliche Grundlagen in Deutschland erklären sowie Möglichkeiten des gemeinsamen, toleranten und aktiven Zusammenlebens in unserer Stadt aufzeigen.
Heike Ruhl: Warum sind Schulen als Akteur für eine Willkommenskultur so entscheidend?
Jens Leschner: Die Schaffung einer Willkommenskultur wird von vielen Faktoren beeinflusst, welche zudem nicht auf das Arbeitsfeld Asylsuchende in einer Kommune reduziert werden können. Dies beinhaltet auch die Kerngebiete der allgemeinen Arbeit im Feld der Demokratie, Wertevermittlung und Bildung der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen e.V. Die Basis für die laufende Konzeption bildet die jahrelange Arbeit der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen u.a. im Bereich der politisch-historischen Bildung, Workshops der Demokratiebildung sowie in den Bereichen Mobbing und dem Einfluss der Programme »Ein Quadratkilometer Bildung« und dessen Konzeptionen, welche alle mit Kitas, Grundschulen sowie weiterführenden Schulen durchgeführt wurden.